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Thees Uhlmann – #2

Thees UhlmannThees Uhlmann sitzt wild gestikulierend im Schwarz-Weiß-Video am Mikro. Die Kamera schwenkt zurück und plötzlich sitzt neben ihm der 1979 verstorbene Linksaktivist Rudi Dutschke – ein täuschend echt vorgetragener Videoschnitt. Danach ist er auf einmal Leidensgenosse von Jack Nicholson im Film “Einer flog über das Kuckucksnest” von 1975.  Einige Sekunden später ist er im Militärgewand an der Erstürmung der „Brücke von Remagen“ im zweiten Weltkrieg beteiligt. Der Zusammenhang der Ereignisse: Alle fanden am selben Tag statt, dem 7. März.

Die erste Single „Am 7. März“ des schlicht „#2“ betitelten Albums ist ein eingängiger Popsong, der ein klein wenig schon für die gesamte Stilrichtung des Albums steht. Ganz minimalistisch und intim beginnt die Instrumentierung nur mit einem Klavier, ehe dann die ganze Band einsteigt und aus einer kleinen Melodie etwas Großes entspringt. „Meine Mum wurde geboren, Rudi Dutschke Stunden später“ – all dies passierte an jenem 7. März und  Thees Uhlmanns lädt zur Geschichtsreise ein. Egal ob historisch bedeutsame Ereignisse oder der Start der „Sendung mit der Maus“ –Thees Uhlmann ist immer mitten drin und zeigt dadurch, dass alle Ereignisse für ihn gleich wichtig sind. Der Kreis schließt sich im Text: “Nach 38 Jahren wohn’ ich wieder in der Stadt, In der eine Straße heut’ den Namen Rudi Dutschke hat.”

Als Frontmann der Hamburger Indie-Band Tomte hatte Thees Uhlmann schon seit Beginn der 90er Jahre erste Erfahrungen als Musiker gesammelt. Vor allem mit Songs wie „Schreit Den Namen Meiner Mutter“ schoss der Bekanntheitsgrad im neuen Jahrtausend rapide nach oben. Die beiden Alben „Buchstaben Über Der Stadt“ (2006) und „Heureka“ (2009) schafften beide den Sprung in die Top 10 der deutschen Albumcharts. Danach suchte Thees Uhlmann eine neue musikalische Herausforderung und fand sie als Solokünstler. Das 2011 veröffentlichte und schlicht „Thees Uhlmann“ betitelte Solodebüt wurde zum Überraschungserfolg und brachte es bis auf Platz vier der deutschen Albumcharts. Der Sänger verfeinerte die Indie-Musik von Tomte dabei weiter, wurde poppiger und experimentierfreudiger.

Für eingängige Refrains ist auf „#2“ bestens gesorgt, schon der Opener kriecht sofort ins Gehör und klammert sich dort still und leise fest. „Zugvögel“ ist melodischer, intelligenter Gitarren-Pop, der mit seinen mächtigen Drums zu Beginn und den abschließenden Chören fast schon an Stadionbands wie 30 Seconds to Mars erinnert. „Es brennt“ ist mit seiner Hymne an das Feuer ein weiterer starker Song der Platte, die Thees Uhlmann einmal mehr als herausragenden Geschichtenerzähler zeigt. Das Themenspektrum fällt dabei breit aus: In „Im Sommer nach dem Krieg“ sinniert er über den Krieg und die möglichen Nachwirkungen. Wie wird der Sommer nach einem Krieg wohl aussehen? In „Der Fluss und das Meer“  dreht sich alles um die Tristheit der Umgebung seines Heimatdorfes Hemmoor in Niedersachsen. Ein Bild, das Thees Uhlmann schon auf seinem Solodebüt nachzeichnete.

Großes Kino auf „#2“ ist zweifelsohne „Die Bomben meiner Stadt“ – und sicher auch bewusst schon vorab als Song-Gegenstück zu „Am 7. März“ veröffentlicht. Im Gegensatz zur poppigen Single besticht „Die Bomben meiner Stadt“ durch ordentliche Power und liefert mit dem Mitgröl-Refrain „Die Bomben meiner Stadt machen: Boom, Boom, Boom“ schon einen der Geheimtipps für die kommende Festivalsaison. Eigentlich schade, dass der Sommer bald schon wieder vorüber ist. Thees Uhlmann ist hier ein großer Partysong gelungen, der sich unheimlich schnell ins Gehör einbrennt und vielleicht ein ganz klein wenig von M.I.A.s Hit „Paper Planes“ abschaut.

Das „Intro“-Magazin bezeichnete Thees Uhlmann kürzlich als “Barden mit der Gitarre” und als “deutschen Bruce Springsteen”. Derartige Vergleiche sind wohl ein bisschen weit hergeholt, auch wenn sich Thees Uhlmann schon selbst auf dem Plattencover als gitarrenschwingenden Barden mit Western-Gitarre und Lederjacke inszeniert. „Zerschmettert In Stücke (Im Frieden Der Nacht)“ ist dann auch der einzige Song, der sich überdeutlich an Bruce Springsteen orientiert. Der Song beschäftigt sich mit der Großstadt Wien, im Hintergrund wabert ein Synthesizer und Thees Uhlmann bestätigte im Visions-Interview den Einfluss des großen amerikanischen Songwriters: „Es wäre ja dumm, wenn ich nicht sagen würde, dass es schon ein wenig Streets of Philadelphia von Bruce Springsteen ist.“

Der nächste Song „Kaffee & Wein“ kommt dann mit einer ungewohnten Akustikgitarre daher und klingt fast schon wie der würdige Abschluss von „#2“. Dann folgt aber noch „Ich Gebe Mein Licht Auf“, das mit Reminiszenzen an kindliche Laternenumzüge und die Geschichte einer unglücklichen Liebe aufwartet. Als Inspiration diente dabei der Kinderklassiker “Ich Geh’ Mit Meiner Laterne”.

Was bleibt, sind viel Licht und wenig Schatten – Thees Uhlmann gelingt mit „#2“ ein weiterer Schritt in Richtung eines eigenen, von Tomte unabhängigen, Sounds. Zwar wird es genug Indie-Fans geben, die ihm die Anbiederung an den Mainstream vorwerfen werden und in gewisser Hinsicht haben sie damit auch Recht. Instrumentierung, Texte und Melodien sind eindeutig für die großen Hallen geschrieben. Das macht „#2“ aber keineswegs zu einer schlechten Platte, sondern zeigt Thees Uhlmann als verspielten Familienvater, der sich musikalisch weiter entwickelt hat und der insgesamt positiv in die Zukunft blickt. Viel Licht eben.

Thees Uhlmann auf Tour:

30.10. Bremen, Schlachthof
31.10. Bielefeld, Ringlokschuppen
01.11. Dortmund, FZW (ausverkauft)
02.11. A – Linz, Posthof
03.11. München, Muffathalle
04.11. Erlangen, E-Werk
06.11. Leipzig, Werk 2
07.11. Jena, Kassablanca
08.11. Dresden, Alter Schlachthof
09.11. A – Wien, Arena
10.11. Stuttgart, LKA
11.11. Würzburg, Posthalle
12.11. Saarbrücken, Garage
13.11. Köln, E-Werk
14.11. Osnabrück, Rosenhof
15.11. Wiesbaden, Schlachthof
16.11. CH – Zürich, Komplex
18.11. Mannheim, Capitol
19.11. Hamburg, Große Freiheit 36 (ausverkauft)
20.11. Hamburg, Große Freiheit 36 (ausverkauft)
21.11. Hannover, Capitol
22.11. Berlin, Huxleys Neue Welt
23.11. Weissenhäuser Strand, Rolling Stone Weekender
27.12. Hemmooor, Zurück Zuhause Festival (ausverkauft)

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