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Die Orgel lässt meinen Körper vibrieren – Anna von Hausswolff im Interview

Anna von Hausswolff (Credit Matthias Rüby/MusikBlog)Anna von Hausswolff kann man wohl als eine der wichtigsten Neuentdeckungen des Jahres bezeichnen. Die gebürtige Schwedin, die derzeit in Dänemark lebt, ist Tochter des bekannten Künstlers und Komponisten Michael von Hausswolff. Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff, wie sie mit vollständigem Namen heißt, macht schon von Kindesbeinen an Musik und hat bereits zwei Alben herausgebracht: 2010 “Singing From The Grave”, das in nur zwei streng limitierten Editionen erschienen ist (die erste ist bereits nicht mehr erhältlich) sowie 2012 zunächst in Schweden und 2013 dann im restlichen Europa und Nordamerika “Ceremony”.

Anna von Hausswolff hat bereits als Support für u.a. The Tindersticks gespielt. Derzeit ist sie jedoch auf eigener Tour und spielte am letzten Freitag im Orangehouse/Feierwerk, anlässlich dessen sie MusikBlog auch zum Interview traf. Wie sie darin herausstellte, ist Anna eine nicht nur extrem musikliebende, sondern auch eine sehr selbstbewusste Frau, die ihre Unabhängigkeit niemals für den kommerziellen Erfolg aufgeben würde.

MusikBlog: Obwohl mich der Klang von Orgeln schon früh faszinierte, habe ich mich als Kind vor ihnen gefürchtet. Wann war dein erster Kontakt zu diesem Instrument und wie kam es zu der Idee, es als Hauptthema für Deine Musik zu verwenden?

Anna von Hausswolff: Das erste Mal Kirchenorgel gespielt habe ich eine Woche, bevor ich “Ceremony” aufgenommen habe. Ich hatte vorher eine Menge Kirchenorgel-Studien durchgeführt und war gut vorbereitet, daher hat es mir weniger Angst gemacht als ich dachte. Davor hatte ich die Orgel immer als ein unzugängliches, heiliges Instrument gesehen, das nur ein ausgebildeter Organist spielen oder dafür komponieren könnte. Heute sehe ich es zwar immer noch als ein komplexes Instrument, habe aber keine Angst davor, es zu lernen und stattdessen entschieden, mir über meine Ambitionen und Wünsche immer mehr Wissen über dieses göttliche Instrument anzueignen. Ich bin weit von einem professionellen Organisten entfernt, ich denke aber, das ist egal, solange ich der Orgel entsprechenden Respekt und Würdigung entgegen bringe. Die Kirchenorgel ist einzigartig in seinen riesigen Klangmöglichkeiten und ergänzt außerdem perfekt die Stimme. Sie ist ein akustisches Phänomen, da keine Orgel wie die andere klingt, jede Orgel ist speziell auf den Raum angepasst.

MusikBlog: Die Orgel, wenn langsam gespielt, ist ein sehr melancholisch klingendes Instrument. Ist das der Grund, warum Deine Musik so traurig klingt?

Anna von Hausswolff: Ich glaube nicht, dass die Orgel der Grund dafür ist, sondern meine Kompositionen. Die Orgel hilft mir nur, in meinen Songs eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen. Die Melodien, Texte und Rhythmen entstehen aus der Komposition heraus, nicht aus einem bestimmten Instrument.

MusikBlog: Ok, das ist also beabsichtigt? Auch Songtitel wie “Funeral For My Future Children” lassen vermuten, dass du eher der dunkleren Seite des Lebens zugewandt bist. Bist du generell ein trauriger Mensch?

Anna von Hausswolff: Meine Musik repräsentiert nur eine Seite von mir. Außerdem, alle Menschen sind traurig zu einem gewissen Grad. Mir gefällt es nur, diese Stimmung auszudrücken und meiner Umgebung mitzuteilen.

MusikBlog: Wenn du in deinen Liedern anfängst zu singen, ändert sich die Stimmung des Songs oft plötzlich in etwas Stärkeres, Machtvolles…

Anna von Hausswolff: …die Stimme ist für mich die intimste Form der Kommunikation zwischen meinem Körper und meinen Emotionen…

MusikBlog: …singst du lieber, als dass du Orgel und Klavier spielst?

Anna von Hausswolff: Ich mag es nicht immer, zu singen, weil es soviel Energie aus meinem Körper zieht. Orgelspielen ist etwas ganz anderes. Das Instrument kann mir manchmal helfen, in die richtige Stimmung zu kommen, selbst wenn ich mich zu Beginn nicht sehr kreativ fühle. Mit meiner Stimme ist es ganz das Gegenteil. Ich muss in der richtigen Stimmung sein, um etwas Wertvolles daraus machen zu können. Daher denke ich, dass sich die Stimme und die Orgel perfekt ergänzen. Die Orgel lässt meinen Körper mit kreativen Energien vibrieren und das wiederum hilft meiner Stimme, den Kern meiner Seele auszudrücken.

MusikBlog: Wenn du live spielst, wirkst du an deiner Orgel oft, als würdest du kaum etwas anderes mitbekommen. Magst du es überhaupt, live aufzutreten?

Anna von Hausswolff: Ich liebe es wirklich, live zu spielen. Nur darum mache ich Musik. Es geht nur um diesen Moment auf der Bühne, wenn die Musik zu leben anfängt und beginnt, meine einzelnen Körperteile zu beherrschen. Das mit anderen Menschen zu teilen, macht dieses Erlebnis nur noch intensiver. Ich spüre eine Menge Adrenalin, wenn ich bemerke, dass Menschen mental oder körperlich von meiner Musik angesteckt und berührt werden. Das lässt mich nur noch härter arbeiten.

MusikBlog: Bist du auf der Bühne ein anderer Mensch?

Anna von Hausswolff:  Die Anna auf der Bühne ist eine sehr starke Kraft, die Anna im normalen Leben ist nur eine Person.

MusikBlog: Vermutlich ist dir klar, dass das kommerzielle Potential Deiner Art von Musik begrenzt ist. War das eine bewusste Entscheidung? Fühlst du dich in Deiner Nische wohl oder wärst du gern bekannter?

Anna von Hausswolff: Ich fühle mich sehr wohl in meiner Nische. Ich mache diese Art von Musik nicht, um etwas dem kommerziellen Markt entgegen zu stellen. Ich mache diese Musik, weil ich es muss, nur dadurch spüre ich, dass ich am Leben bin. Ich mache die Sachen auf meine Art und wenn ich mir treu bleibe, dann werde ich niemals die Marionette von anderen werden. Weil dann hätte ich keine Freude mehr an meiner Musik oder, um ehrlich zu sein, auch nicht mehr am Leben.

MusikBlog: Dein Vater Carl Michael von Hausswolff ist ein sehr bekannter Komponist und Künstler. Hatte er starken Einfluss auf dich? War es manchmal auch Fluch statt Segen, die Tochter einer berühmten Person zu sein?

Anna von Hausswolff: Mein Vater hat meine Schwester Maria und mich sicher in unserem Leben beeinflusst, aber es ist schwer zu sagen, worin genau. Er hat mich immer unterstützt, er hat mich an gute Musik heran geführt und er hat sehr viel Wissen und kennt interessante Geschichten über Kunst. Er hat niemals seine Berühmtheit heraus gestellt, er ist sehr bescheiden. Ich bin sehr stolz auf ihn. Meine Entscheidungen habe ich jedoch immer selbst getroffen, darin haben meine Eltern mich auch immer bestärkt. Normalerweise erzähle ich meinen Eltern von einem neuen Projekt erst, wenn es bereits fertig ist und der Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Auch ich habe meine Geheimnisse vor ihnen.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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